Syrien

Das einzige Problem war die Grenze. Diese zuerst einmal finden. Geradeaus durch die türkische Stadt Akcakale, am Bierladen rechts, dann an den Bahngleisen entlang links zum mit Stacheldraht behauenen Schlagbaum. Der Grenzsoldat mit MP führt die erste Passkontrolle durch. Dann geht der Schlagbaum auf. Es geht weiter durch ein stählernes Tor in einen kleinen Innenhof. Dort warten ein paar weitere Grenzgänger und ein PKW. Wir werden bevorzugt behandelt, wir sind ja Deutsche, und die Polizisten erproben ihr gelerntes Deutsch und Englisch an uns.
Auf syrischer Seite wäre ein Carnet de Passage für unser Auto hilfreich gewesen, aber es geht auch mit einer einstündigen Verhandlung, natürlich nicht unter zehntausend Worten, vielen Gesten und 70 $ Gebühr.

Der Verkehr ist absolut chaotisch aber lernbar. Dafür wird man von tollen Oldtimern überrascht.

Bunte Farben, allerlei Gerüche, viele Menschen und heimische Tiere. Die syrischen Souks bieten alles, was man von einem arabischen Land erwartet.

Palmyra, die “Stadt der Palmen”, das alte Tadmur drei Autostunden westlich von Homs mitten in der Wüste gelegen ist unser Ziel. Die große, alte Oasenstadt in der syrischen Steinwüste. Zwischen Damaskus und Deir er Zor, eine alte Karawanenroute seit dem 3 Jhd. n. Chr. Wer die dortige Quelle zwischen dem Zweistromland und Palästina beherrscht, ist Herrscher der Karawanen die direkt über die kürzeste Route durch die Wüste ziehen. Rast- und Ruheort inmitten der Wüste mit der Quelle Afqa. Kräfte auftanken. Auch wir wollen Kraft auftanken. Seit mehr als 3 Stunden sind wir unterwegs. Unser guter alter Toyota fährt konstant und zuverlässig seine 80 km/h. Den Anschluss an die Moderne haben wir mit ihm wohl verpasst. Aber dafür wissen wir, was wir an ihm haben! Kein Elektronikschrott, alles lässt sich noch von Hand reparieren. Die Sicherheit, dass alles irgendwie gehen wird.

Die Straße geht schnurgerade dem Horizont entgegen und rechts und links nichts als Sand und Steine, Steine und Sand. Ab und an einmal ein Büschel vertrocknetes Gras, selten eine meist verlassene Steinhütte. Es sind ca. 45° im Auto und das leise eintönige Brummen des Motors versetzt mich in einen leichten Zustand der Apathie. Immer öfters sackt mein Kinn auf die Brust. Gut das Hans im Moment fährt. Mein Blick schweift links und rechts in die Wüste aber ich finde nichts, was mein Auge fixieren kann. Meine Augenlieder werden schwerer und schwerer und irgendwann schlafe ich ein. Ich wache auf, habe das Gefühl Stunden sind vergangen aber der Blick auf meine Uhr belehrt mich eines Besseren. ½ Stunde bin ich weggedöst, wir haben immer noch ca. 2 Stunden Fahrt vor uns. Und immer noch sehe ich nichts als Steinwüste. Ein schwer beladener LKW kommt uns entgegen, ich hoffe inständig, dass der Fahrer nicht so müde ist wie ich. Fahrerwechsel ist angesagt, die drei 1,5 Liter Wasserflaschen sind schon lange leer. Die Datteln kleben süß und zäh im Mund, bieten aber wenigstens etwas Abwechslung. Ich schiebe eine Kassette von Donovan ein und die Musik rüttelt  mich wieder ein bisschen wach. Die Finger trommeln leise im Takt. Mein Kopf nickt und die Seele summt leise vor sich hin. Wir fahren und fahren und die Sonne brennt und brennt. Endlich, ich denke schon fast zwanghaft an “Autopanne”, “Motorschaden”, “ Warndreieck” und “Wandertour” tauchen mehr Büsche am Straßenrand auf. Einige Bäume, mehr Grün für das Auge. Meine Güte, was für ein Gefühl! In der Ferne bildet sich etwas am Horizont ab, rechts sind Öl- oder Wasserleitungen verlegt, ich erkenne den genauen Unterschied nicht. Plötzlich, linker Hand, eine riesige Kamelherde mit bestimmt 100 oder 150 Tieren nur ein einziger Beduine ist mit dabei, bunt gekleidet, bestimmt ein Mann. Der Beduine sorgt sich mehr um die korrekte Befestigung seines Sattels als um die Herde. Minutenlang fingert er an seinem Sattel herum. Ein paar junge Kamele tragen derweilen kleine Machtkämpfe oder Spielchen untereinander aus, indem sie sich immer wieder beißend balgen, eigentlich spielerisch aber durch ihre Größe doch auch schon für den europäischen Betrachter ein bisschen aggressiv wirkend. Die älteren Tiere suchen langsam aber bestimmt ihren Weg gen Heimat, immer wieder einmal an einem der selten harten Grasbüschel zupfend.

Langsam kommt Palmyra näher, wir registrieren etwas mehr entgegenkommende Fahrzeuge auf der Straße, “Palmyra, wir kommen!” denke ich. Und dann sind wir da. Wie eine echte Fatamorgana zeichnet sich die alte Oasenstadt in der Wüste ab. Wahrlich einem kleinen Wunder gleich! Ich sitze im Auto halte mich am Lenkrad fest und denke nur “ein Film. Wie in einem Film!” Mächtig erheben sich die Säulen des Hadriantors vor uns aus der Wüste, in strahlendem Weiß, sie scheinen dem Himmel unberührt und allmächtig entgegen zu streben. Linker Hand auf einem Hügel erkennen wir die Festung Qal´at Ibn Ma´an in der Nachmittagssonne. Die Straße in den Fels gemeißelt vor 1000den von Jahren schlängelt sich dem Tor entgegen. Wir beschließen, die Festung und das Tal der Gräber morgen zu besichtigen und denken zunächst an ein Zimmer, ein Essen, eine Dusche und an ein ... kaltes Bier. Durch die alte Ruinenstadt fahren wir langsam auf das moderne Palymra zu. Rechts der Palast, immer noch mächtig mit seinen bis zu 15m hohen Mauern, links ein einheimischer Touristenjäger mit seinem bunt geschmückten altersschwachen Kamel. In der Stadt ist es nicht schwer ein Hotel und ein Restaurant zu finden. Die Stadt lebt fast ausschließlich vom Tourismus. Alle scheinen nur auf uns gewartet zu haben, so herzlich, überschwänglich und vereinnahmend werden wir von allen Händlern, Hotelbesitzern und Restaurantbetreibern begrüßt. Es fehlt nur noch, dass man für uns den roten Teppich ausrollt. und uns auf der Stelle in ein Zimmer zerrt. Leicht geschockt entscheiden wir uns für ein günstiges Hotel, dessen Besitzer etwas feinfühliger und geschickter die Touristenfalle aufgebaut hat als seine Kollegen. Er redet über Palmyra und seine Geschichte, erzählt von seiner Familie. Dennoch sind wir zufrieden, das Zimmer ist gut, die Betten sind sauber, die Dusche funktioniert – sogar mit warmem Wasser - und auch die Klimaanlage setzt sich willig in Betrieb als wir sie einschalten.

Etwas entspannter aber immer noch sehr hungrig machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant und landen nach 2stündiger Suche in einem netten Restaurant im Haus nebenan – das wir 2 Stunden vorher noch verschmäht haben, weil der Besitzer uns fast die Stühle unter den Hintern geschoben hat, als wir für 3 Sekunden seine Speisekarte von der Straße aus studiert hatten. Aber es gibt kein anderes geöffnetes Restaurant in der Stadt, wie auch wir inzwischen schon festgestellt haben. So what, da müssen wir wohl oder übel durch. Das Essen ist gut und reichlich, wenn auch für syrische Maßstäbe viel zu teuer, aber wenigstens können wir den turbulenten Blick auf die Hauptstraße und den typischen Touristenkampf der anderen Ausländer genießen. Es wird langsam Nacht, die Temperaturen sinken merklich und wir sind beide müde und kaputt von der langen Wüstenfahrt. Wir gönnen uns noch ein letztes eiskaltes Bier in der Bar nebenan. Bin Bier aus dem Kühlschrank. Heinecken! Wir sind die einzigen Gäste, der Raum mit den sechs Tischen à 2 Personen wirkt leer. Die in Palmyra anwesenden Japaner haben sich auch in den Abendstunden wohl doch noch für Kultur entschieden. Zahlen bestimmt den Touripreis. Wie wir auch. Wir sind Fremde und doch willkommen. Viel zu viel, für Syrer wäre der Preis wohl nicht mal die Hälfte gewesen. Aber ein Bier, ein Bier ist nach so einer Fahrt wie ... tja, wohl wie ein 6er im Lotto! Zumindest für einen Europäer! Morgen, morgen werden wir uns viel Kultur geben. Den Nebo-Tempel, die Damastener Prachtstraße, die Qal´at Ibn Ma´an Festung, vieles aus alter und vieles aus neuer Zeit. Alles mischt sich hier, alt und jung, Tradition und Moderne. Syrisch. Herzlich! Und doch eigen. Syrien, altes neues Morgenland. Wir sind glücklich, dass wir hier sein können und dürfen. Ein Abtasten und Suche und auch manchmal ein Finden. Ein finden von kleinen Träumen. In winzigen Augenblicken. Kleine Wunderwelt des Lebens. Wir fallen glücklich in unsere – getrennten – Doppelbetten und schlafen tief und traumlos ein.            (Text von Sabine Pfannerstill)

Damascus bei Nacht

Schutz vor Sonne, Sand und Mücken